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 Der Sport 
 
    
 
 
  Wie in Deutschland das Turnen, so hatte sich in England im 19. Jahrhundert eine eigenständige nationale Tradition entwickelt: die "sports" - abgeleitet von: "se disporter", französisch für "sich (von der Arbeit) wegbegeben". Rasch faßte diese Bewegung Fuß sowohl im gesamten angelsächsischen Sprachraum wie auch in den englischen Kolonien. Wie andere Lebensgewohnheiten dieser führenden Kolonialmacht wurden auch die "sports" in wenigen Jahrzehnten in aller Welt übernommen.  
 

Turnen und Sport: die Unterschiede 

Der Sport unterschied sich erheblich vom Turnen. Im Mittelpunkt stand der einzelne Mensch, allerdings nicht wie beim Turnen aus einer theoretisch fundierten erzieherischen Grundhaltung heraus, sondern mit einer pragmatischen, die Lust und Geschicklichkeit des Einzelnen einbeziehenden Orientierung. Vor allem ging es um den Wettkampf und damit um das Messen von Leistungen, um den Sieg, um den Rekord. Wer Höchstleistungen erreichen wollte, mußte sich spezialisieren. Während die Turner den Mehrkampf, d. h. die vielseitige körperliche Übung bevorzugten, setzte der Sport auf die Spezialisierung in Disziplinen. Dem universellen Turnverein stehen also nun viele hochspezialisierte Vereine gegenüber. Des weiteren bringt das Leistungsprinzip notwendigerweise mit sich, daß nun zwischen Spitzen- und Breitensport unterschieden wird.  

Auf der anderen Seite betonte der Sport das Spiel, sei es das Partnerspiel (wie Tennnis) oder das Mannschaftsspiel (wie Fußball). Hier wird auch ein wichtiger ethisch-zivilisatorischer Aspekt des englischen Sports deutlich: das vereinbarte Regelwerk, der Schiedsrichter, das "fair play".  

Ein dritter wesentlicher Unterschied zum national ausgerichteten deutschen Turnen war die grundsätzlich internationale Orientierung des Sports. So entstand ein abgestuftes System von regionalen, nationalen und internationalen Meisterschaften, deren "Krone" die Olympiaden wurden.  
 

Die neuen Sportvereine  

Seit 1880 entsteht in wenigen Jahrzehnten in Chemnitz ein großeVielfalt von Sport und Spiel.

Tenniskasten 

Besonders aufschlußreich ist das Beispiel Tennis. Oben abgebildet ist ein aus Amerika importierter tragbarer Kasten für das "lawn-tennis" (Rasentennis). Die Spieler nahmen diese Kiste auf ein Rasenfeld mit, bauten dort die beide Pfähle und das Netz auf - und dann legten sie mit den beiden Schlägern und den Bällen los. Das Gründungsstatut von 1894 zeigt, daß auch die "sports" rasch die organisatorische Form des deutschen Vereinswesen übernahmen. Die Fotos vom Gebäude des um 1900 gegründeten Lawn-Tennis-Clubs verraten auch etwas vom sozialen und wirtschaftlichen Rang wie auch vom modernen Lebensstil der ersten Sportler: Gründer und Vorsitzender war der Fabrikant Fritz Esche; Architekt des Klubhauses (1907 in der Goethestraße 9 errichtet; nach dem 2. Weltkrieg abgebrochen) war - wie bei der Villa Esche - der berühmte Jugendstilarchitekt van de Velde.  

Sport wurde in den Anfangszeiten vor allem von Angehörigen der Oberschicht betrieben. Auch der Jahresband für 1909 "Sport im Bild" zeugt mit seiner hochwertigen grafischen Gestaltung von der anspruchsvollen Käuferschicht. Doch es blieb nicht lange bei dem exklusiven großbürgerlichen Zuschnitt. Dafür sorgten unter anderem die durch Massenproduktion erschwinglichen Sportgeräte.  

Jahresband Sport im Bild, 1909 
 

Sportstätten  

Nur wenige der neuen Sportarten konnten auf Turnplätzen oder in Turnhallen betrieben werden. Manche ließen sich allerdings leicht im Freien ausüben, z. B. Rudern auf dem Schloßteich; dort fand auch 1896 das erste Schwimmfest des sächsischen Schwimmerbundes (mit 15000 Zuschauern) statt. Das erste registrierte Fußballspiel datiert vom selben Jahr, es wurde auf einer Wiese im Küchwald ausgetragen. Wer es genau wissen will: Am 31. Oktober 1896 spielten die Mannschaften der Realschulen von Chemnitz und Mittweida gegeneinander; Chemnitz verlor 1 : 2.  

Manche Sportarten jedoch benötigten Spezialanlagen (z. B. die Bergsteiger erbauten 1895 die Chemnitzer Hütte in Südtirol); wichtigstes Ziel war jedoch die neuartige Mehrzweckanlage, das Stadion. In Chemnitz setzten private Investoren - darunter der am Entwurf beteiligte Architekt Basarke - auf die Zukunft des Sports und errichteten 1909 das erste neue große Stadion. Die "Sportplatz Chemnitz" (später "Radrennbahn Altendorf") genannte Anlage umfaßte eine bis zu 30.000 Zuschauer fassende Radrennbahn (auch für Fußball, Spiele und Turnfeste genutzt), des weiteren Sporthalle, Ausstellungshalle, Tennnisplätze, Teich und Park, Konzertplatz und "Vergnügungseck" (Gastronomie). Finanziell endete dieses Projekt zwar mit einem Reinfall, die Chemnitzer hatten jedoch für Jahrzehnte eine beliebte Sportanlage, die wir im Modell haben wieder erstehen lassen.  

Radrennbahn Chemnitz-Altendorf, 1920 
 

Die Turner und der Sport  

Der weltweite Siegeszug des Sports hat in wenigen Jahrzehnten Chemnitz erfaßt - doch wie fiel die Reaktion der Turner aus? Sie waren mit ihrer nationalen Orientierung in einer schwierigen Lage. So wurde die Teilnahme von deutschen Turnern an den ersten Olympischen Spielen (Athen 1896) von der Deutschen Turnerschaft offiziell mißbilligt; erst zu den vierten Spielen (London 1908) entsandte man eine offizielle Delegation. Verständlicherweise fiel es den Funktionären und Aktiven, die viele Jahrzehnte das Feld in Deutschland alleine bestellt hatten, nun schwer, sich mit der neuen Situation abzufinden. Selbst die deutsche Industrie hatte sich rasch auf die Sportarten eingestellt, denn die von Einzelkunden gekauften Sportgeräte und die große Vielfalt an Disziplinen brachten ganz andere Umsatzchancen als das traditionelle Turnen.  

Die Turnvereine und ihr Dachverband, die Deutsche Turnerschaft, reagierte nach außen überwiegend ablehnend; sie bekämpften den Sport als unliebsamen Konkurrenten und beanspruchten für sich weiterhin die Führerschaft bei den Leibesübungen. In manchen Bereichen hatten sie auch Erfolg, z. B. das Schulfach hieß bis weit nach dem 2. Weltkrieg noch "Turnen" oder "Leibesübungen" und die Lehrer "Turnlehrer". Nach innen allerdings reagierten viele Vereine konstruktiv auf diese Herausforderung, öffneten sich dem Leistungsdenken und gründeten eigene Sport- und Spielabteilungen. Die Anfänge der Chemnitzer Leichtathletik z. B. liegen nicht in eigenen Vereinen, sondern in den Fachabteilungen von Turnvereinen.  
 

 
 
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