Das Kunstwerk
 

Beschreibung und Einordnung

Beschreibung des Schreins
das heilige Grab als Bilderbibel
kunsthistorische Einordnung
die anderen "Heiligen Gräber": Esztergom, Zwickau

 
 

Beschreibung des Schreins
Allgemeine Angaben

Entstanden um 1480-90

Künstler: wahrscheinlich ein Meister Jorg ("JORG~EIN~KLL...")

spätgotisches Schnitzwerk

farbgefasst, Metallauflagen aus Blattgold und Blattsilber, Papierapplikationen, Prägedamast

Maße: 1,06 m breit, 2,76 m lang, 3,72 hoch
 

Sockelzone

Sarkophagähnlicher Unterbau

8 Füllbretter (1 fehlt) mit den Grabeswächtern (nach dem Matthäusevangelium):

6 schlafende Soldaten mit gotischen "geschifteten" Rüstungen und Helmen vom Typus der deutschen "Schallern"

1 Hauptmann (?) mit Turban, der geblendet wird

1 Kriegsknecht mit maurischem "Adarga"-Schild mit aramäischen Schriftzeichen, vermutlich Kreuzigungsinschrift

Maßwerkverblendungen

8 Konsolen mit Schleierbrett und mit zusätzlichen neuen Metallstützen
 

Hauptzone:

Schrein mit Stabgitter-Verblendung zwischen acht Strebpfeilern

auf den 8 Konsolen ca. 1 m hohe vollplastische geschnitzte Figuren, gefasst, naturalistische Darstellung; Figurenprogramm nach dem Johannesevangelium :

Schmalseiten: Nikodemus und Engel mit Leichentuch

Längsseite "Grablegung": Joseph von Arimathäa, Maria (Mutter Jesu) und  Maria (Frau des Klopas)

Längsseite "leeres Grab": Maria (von Magdala), Apostel Petrus, Apostel Johannes

auf den 4 Eckkonsölchen früher 4 kleine Figuren
Johannes der Täufer (in den 60er-Jahren gestohlen)

weitere unbekannt (bereits vor 1844 verloren gegangen)

im Schrein
Corpus Christi: nicht erhalten
Dachzone:

8 Kielbögen zwischen 8 Fialen mit Maßwerk und Kreuzblumen

Baldachin in Zeltdachform

innen als Sternenhimmel mit aufgeklebten Papiersternen

außen polierte Blattversilberung (nicht mehr sichtbar) und Applikation in Form von Granatapfelblüten auf Prägedamast

Firstzierleiste mit 3 Kreuzblumen

 das heilige Grab als Bilderbibel
Mittelzone: die biblischen Personen 
(nach dem Johannesveangelium)
 

Die drei Marien bei der Kreuzigung (Joh 19, 25):

"Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas und Maria von Magdala."


Das Begräbnis (Joh 19, 38-42):

"Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu, aber aus Furcht vor den Juden nur heimlich. Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also kam er und nahm den Leichnam ab. Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist. An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei."


Das leere Grab (Joh 20, 1-):

"Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdalena frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte (= Johannes der Evangelist), und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihn gefolgt war, und ging ins Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wußten noch nicht aus der Schrift, daß er von den Toten auferstehen mußte. Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück."


Erscheinung vor Maria von Magdalena (Joh 20,-):

"Maria (von Magdala) aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Sockelzone: die Grabwächter
(nach dem Matthäusevangelium)
 

Die Bewachung des Grabes (Matt 27, 62 -)

"Am nächsten Tag gingen die Hohenpriester und die Pharisäer gemeinsam zu Pilatus; es war der Tag nach dem Rüsttag. Sie sagten: Herr, es fiel uns ein, dass dieser Betrüger, als er noch lebte behauptet hat: Ich werde nach drei Tagen auferstehen. Gib also den Befehl daß das Grab bis zum dritten Tag sicher bewacht wird. Sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden. Und dieser letzte Betrug wäre noch schlimmer, als alles zuvor. Pilatus antwortete ihnen: Ihr sollt eine Wache haben. Geht und sichert das Grab, so gut ihr könnt. Darauf gingen sie, um das Grab zu sichern. Sie versiegelten den Eingang und ließen die Wache dort."


Der Engel und die Wächter (Math 28, 8)

"Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz und sein Gewand war weiß wie Schnee. Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden."

 kunsthistorische Einordnung
Das Chemnitzer Heilige Grab ist ein Kunstwerk von internationaler Bedeutung.

Seinen kunsthistorischen Wert erhält das ursprünglich der Chemnitzer Hauptkirche St. Jakobi entstammende Werk nicht allein durch seine Seltenheit, denn deutschlandweit sind lediglich zwei der hölzernen, mobilen Heiligen Gräber" erhalten geblieben. Auch werksgeschichtlich ist es ein äußerst beachtenswertes Relikt spätmittelalterlichen Kunstschaffens, zeichnet sich doch besonders im plastischen Figurenprogramm des Chemnitzer Heiligen Grabes ein spannender Übergangsprozess von der spätgotischen Formensprache hin zum realistischen bildnerischen Schaffen der Frührenaissance ab: kann man z.B. bei den drei Marien noch vom stilisierten Typus des gotischen Weichen Stils sprechen, tritt dem Betrachter mit den realistischen Figuren des Joseph von Arimathia und des Nikodemus der individuelle Bürger (aus Chemnitz?) der Entstehungszeit des Grabes gegenüber.

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 die anderen "Heiligen Gräber"
Das Chemnitzer Werk eines vermuteten Meister Jorg ist den mobilen Varianten der Heiligen Gräber zuzuordnen.
Garamszentbenedek / Esztergom (im Christlichen Museum)

Eines der wenigen anderen Kunstwerke dieser Art, das farbig gefasste, in Teilen vermutlich auf Entwürfe von Martin Schongauer zurückgehende Heilige Grab von Garamszentbenedek, befindet sich heute im Christlichen Museum von Esztergom. Im Vergleich zu diesem jedoch fällt beim Chemnitzer Stück eine wesentlichere künstlerische Kompaktheit auf. Es erscheint - trotz der stilistischen Spannung im Figurenprogramm - mehr aus einem Guß" und ist in seiner massiven körperlichen Präsenz enger an das Erscheinungsbild der fest in den Kirchenraum eingebundenen Objekte der Art des gußeisernen Grabes von Peter Vischer in der Kirche des Nürnberger Stadtheiligen St. Sebaldus

Webinformation mit zahlreichen Abbildungen: www.kfki.hu/keptar/english/zmisc/faragran/15_sz/urkopors

Zwickau, Dom St. Marien

Ein in seinem Aufbau ähnliches Werk, das von Michael Heuffner im Jahre 1507 vollendete Heilige Grab, befindet sich heute auf der Empore der Zwickauer Marienkirche. Auch dieses war wohl ursprünglich mobil und konnte von seinem Standort, vermutlich in einem der Nebenräume, anläßlich der Karliturgie in den kirchlichen Hauptraum gezogen werden.

Leider ist bei Zwickauer Heiligen Grab die Fassung nicht erhalten geblieben.

Das Zwickauer "Heilige Grab" ist während der Öffnungszeiten der Kirche (täglich 10 - 18 Uhr) auf Anfrage zu besichtigen


 
 
 
 
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